Pegida-Frontfrau erklärt Motiv
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Pegida-Frontfrau erklärt Motiv
Pegida-Frontfrau erklärt Motive der Bewegung
DIE WELT
Alexander Jürgsvor
Premiere bei Günther Jauch: Mit Kathrin Oertel diskutierte erstmals eine Pegida-Organisatorin in einer Talkshow mit. Besonders forsch angegangen wurde sie dort allerdings nicht.
Als Scoop war die Sendung angekündigt: Erstmals stellt sich also ein Mitglied des Pegida-Organisationsteams den Fragen einer Talkrunde. Erstmals diskutiert Pegida direkt mit der so verhassten "Lügenpresse". Und tatsächlich: In einer Talkshow war bislang noch keiner von den Organisatoren der Dresdner Montagsdemonstrationen angetreten.
Mit den Vertretern der "Lügenpresse" gesprochen hat Kathrin Oertel aber sehr wohl schon. Der "Süddeutschen Zeitung" hat sie einige Fragen beantwortet. Dem MDR gab sie, gemeinsam mit Pegida-Mitorganisator René Jahn, ebenfalls Auskunft.
Als das neue Gesicht der Bewegung, als neue Frontfrau von Pegida gilt Oertel, seit sich Lutz Bachmann, der das islamfeindliche Bündnis ins Leben rief, mehr und mehr aus dem Rampenlicht zurückzieht. Seine kriminelle Vergangenheit – mehrere Einbrüche und Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz gehen auf sein Konto, vor dem Gefängnis floh er nach Südafrika – passt nicht so recht zum Selbstbild der Bewegung.
Weil es nun zu konkreten Anschlagsdrohungen von Islamisten gegen Bachmann kam, wurde am Sonntag der anstehende Pegida-Marsch abgesagt. Die sächsische Polizei verhängte außerdem ein generelles Demonstrationsverbot für Dresden, das auch alle geplanten Gegendemonstrationen umfasst. Viel Diskussionsstoff also.
Wie sich Kathrin Oertel bei Günther Jauch gab? Zurückhaltend, reserviert und auch etwas streng. Ganz in Schwarz gekleidet saß sie in der Runde, die blonden Haare hatte sie zum Pferdeschwanz gebunden. Auf Mimik verzichtete sie weitgehend.
Als "ganz normale Frau aus dem Volk, die freiberuflich arbeitet und drei Kinder hat", stellte Oertel sich vor. Warum sie der Diskussion nun nicht mehr ausweiche, wollte Jauch wissen. "Ich will nach außen tragen will, was wir denken und fühlen", antwortete Oertel. Denn das sei bislang "immer wieder falsch bei Medien und Politik angekommen".
Den Ausschlag, die Pegida-Bewegung auf die Beine zu stellen, hätten die Straßenschlachten zwischen Kurden und Salafisten gegeben, die im vergangenen Herbst wegen der Kämpfe zwischen IS-Terroristen und kurdischen Peschmerga-Milizen um die syrische Grenzstadt Kobane aufkamen, "als Kurden und Linke auf die Straßen gingen, um für Waffenlieferungen an die PKK zu demonstrieren".
Für Oertel und ihre Mitstreiter hat das das Fass zum Überlaufen gebracht. Wer Pegida sei, wollte Günther Jauch von ihr wissen. "Menschen wie Sie und ich", antwortete Oertel. "Wie Sie vielleicht, wie ich gewiss nicht", antwortete Jauch.
Kathrin Oertel bekam viel Rückenwind während der Diskussion. Vor allem von Alexander Gauland, dem wohl größten Pegida-Versteher in der Spitze der AfD, aber auch von Frank Richter, dem Direktor der Landeszentrale für politische Bildung in Sachsen.
Der hetzerische Ton der Pegida-Demos würde ihn zwar abschrecken, trotzdem wünscht sich Richter nicht sehnlicher als einen Dialog mit den Protestierenden. Denn: "Die meisten Menschen, die da hingehen, haben ganz andere Sorgen als Angst vor einer Islamisierung." Er riet den Organisatoren deshalb, den Namen Pegida (also: Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes) noch einmal zu überdenken.
Dass Angela Merkel in ihrer Neujahrsansprache die Deutschen davor gewarnt hat, sich Pegida anzuschließen, weil dort Vorurteile, Kälte und Hass herrschen, hat Richter verärgert. "Diese Sätze hätte unsere Kanzlerin nicht sagen sollen", sagte er. Als "kardiologische Ferndiagnose aus Berlin" bezeichnete er ihr Statement. "Was in den Herzen der Menschen in Dresden vorgeht", das hätte die Kanzlerin jedenfalls nicht verstanden.
© Bereitgestellt von DIE WELT dpa
Für AfD-Vize Alexander Gauland stellt das Demoverbot in Dresden den "Beginn der Islamisierung" dar – "weil ein Grundrecht nicht mehr gewährleistet werden kann". Der CDU-Politiker Jens Spahn hielt dagegen. "Wenn überhaupt ist es ein Zeichen für die Bedrohung durch islamistischen Terror", sagte er. Spahn forderte Gauland auf, zu differenzieren: zwischen Islam und Islamismus, zwischen Religion und Terrorismus.
Auch SPD-Politiker Wolfgang Thierse, der ehemalige Bundestagspräsident, machte deutlich, dass er von Pegida wenig hält. Er attestierte der Bewegung Demokratiefeindlichkeit, Ausländerfeindlichkeit und einen unbegründeten Hass auf die Politik. Besonders ärgerte ihn, dass Pegida heute den Leitspruch der DDR-Bürgerrechtsbewegung – "Wir sind das Volk" – für sich beanspruchen würde.
"Das ist eine Anmaßung", schimpfte Thierse. Zwei Gründe nannte er, warum er das so sieht. Erstens: "Damals wurde gegen eine Diktatur demonstriert, heute geht es gegen eine demokratisch gewählte Regierung". Zweitens: "Drei Viertel der Deutschen lehnen Pegida ab." Kathrin Oertel rechnete mit anderen Zahlen – aus ihrer Heimat Sachsen – dagegen: "50 Prozent Nichtwähler sind das Vakuum zwischen Volk und Politik."
Trotz einiger Wortgefechte: Dass ein neuer Dialog zwischen enttäuschten Bürgern und Politikern entstehen soll, darüber war sich die Runde am Ende dann aber doch einig. "Wir müssen wieder ins Gespräch kommen", sagte Jens Spahn.
Und auch Alexander Gauland freute sich, dass "die Politik" wieder "mit uns" sprechen will. "Mit uns": Damit meinte er die AfD und Pegida. Kathrin Oertel outete sich im Gegenzug als Anhängerin von Gaulands Partei. "Ich habe über Jahre FDP gewählt, aber bei der letzten Wahl habe ich dann AfD gewählt", erklärt sie.
Wirkliche Streitkultur kam an diesem Abend trotzdem nicht auf. Was sicherlich auch mit der Gästeauswahl zusammenhing: Ein Gast links von Thierse – ein Gysi, ein Özdemir oder ein Vertreter einer Flüchtlingsinitiative – hätte gewiss noch etwas Schwung in die Diskussion gebracht. Ein weniger zaghafter Moderator aber auch.
Die Frage etwa, ob Pegida versuchen würde, das Attentat auf "Charlie Hebdo" für sich zu instrumentalisieren, stellte Günther Jauch gar nicht erst. Auch den ungeklärten Tod des Asylbewerbers Khaled B., der viele Dresdener bewegt, klammerte der Moderator aus. Und die Hasstiraden gegen die "Lügenpresse"? Wurden in ein paar Nebensätzen abgehandelt.
DIE WELT
Alexander Jürgsvor
Premiere bei Günther Jauch: Mit Kathrin Oertel diskutierte erstmals eine Pegida-Organisatorin in einer Talkshow mit. Besonders forsch angegangen wurde sie dort allerdings nicht.
Als Scoop war die Sendung angekündigt: Erstmals stellt sich also ein Mitglied des Pegida-Organisationsteams den Fragen einer Talkrunde. Erstmals diskutiert Pegida direkt mit der so verhassten "Lügenpresse". Und tatsächlich: In einer Talkshow war bislang noch keiner von den Organisatoren der Dresdner Montagsdemonstrationen angetreten.
Mit den Vertretern der "Lügenpresse" gesprochen hat Kathrin Oertel aber sehr wohl schon. Der "Süddeutschen Zeitung" hat sie einige Fragen beantwortet. Dem MDR gab sie, gemeinsam mit Pegida-Mitorganisator René Jahn, ebenfalls Auskunft.
Als das neue Gesicht der Bewegung, als neue Frontfrau von Pegida gilt Oertel, seit sich Lutz Bachmann, der das islamfeindliche Bündnis ins Leben rief, mehr und mehr aus dem Rampenlicht zurückzieht. Seine kriminelle Vergangenheit – mehrere Einbrüche und Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz gehen auf sein Konto, vor dem Gefängnis floh er nach Südafrika – passt nicht so recht zum Selbstbild der Bewegung.
Oertel gibt sich bei Jauch zurückhaltend
Weil es nun zu konkreten Anschlagsdrohungen von Islamisten gegen Bachmann kam, wurde am Sonntag der anstehende Pegida-Marsch abgesagt. Die sächsische Polizei verhängte außerdem ein generelles Demonstrationsverbot für Dresden, das auch alle geplanten Gegendemonstrationen umfasst. Viel Diskussionsstoff also.
Wie sich Kathrin Oertel bei Günther Jauch gab? Zurückhaltend, reserviert und auch etwas streng. Ganz in Schwarz gekleidet saß sie in der Runde, die blonden Haare hatte sie zum Pferdeschwanz gebunden. Auf Mimik verzichtete sie weitgehend.
Als "ganz normale Frau aus dem Volk, die freiberuflich arbeitet und drei Kinder hat", stellte Oertel sich vor. Warum sie der Diskussion nun nicht mehr ausweiche, wollte Jauch wissen. "Ich will nach außen tragen will, was wir denken und fühlen", antwortete Oertel. Denn das sei bislang "immer wieder falsch bei Medien und Politik angekommen".
Straßenschlachten waren Auslöser von Pegida
Den Ausschlag, die Pegida-Bewegung auf die Beine zu stellen, hätten die Straßenschlachten zwischen Kurden und Salafisten gegeben, die im vergangenen Herbst wegen der Kämpfe zwischen IS-Terroristen und kurdischen Peschmerga-Milizen um die syrische Grenzstadt Kobane aufkamen, "als Kurden und Linke auf die Straßen gingen, um für Waffenlieferungen an die PKK zu demonstrieren".
Für Oertel und ihre Mitstreiter hat das das Fass zum Überlaufen gebracht. Wer Pegida sei, wollte Günther Jauch von ihr wissen. "Menschen wie Sie und ich", antwortete Oertel. "Wie Sie vielleicht, wie ich gewiss nicht", antwortete Jauch.
Kathrin Oertel bekam viel Rückenwind während der Diskussion. Vor allem von Alexander Gauland, dem wohl größten Pegida-Versteher in der Spitze der AfD, aber auch von Frank Richter, dem Direktor der Landeszentrale für politische Bildung in Sachsen.
Der hetzerische Ton der Pegida-Demos würde ihn zwar abschrecken, trotzdem wünscht sich Richter nicht sehnlicher als einen Dialog mit den Protestierenden. Denn: "Die meisten Menschen, die da hingehen, haben ganz andere Sorgen als Angst vor einer Islamisierung." Er riet den Organisatoren deshalb, den Namen Pegida (also: Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes) noch einmal zu überdenken.
Dass Angela Merkel in ihrer Neujahrsansprache die Deutschen davor gewarnt hat, sich Pegida anzuschließen, weil dort Vorurteile, Kälte und Hass herrschen, hat Richter verärgert. "Diese Sätze hätte unsere Kanzlerin nicht sagen sollen", sagte er. Als "kardiologische Ferndiagnose aus Berlin" bezeichnete er ihr Statement. "Was in den Herzen der Menschen in Dresden vorgeht", das hätte die Kanzlerin jedenfalls nicht verstanden.
© Bereitgestellt von DIE WELT dpa
Spahn: "Zwischen Islam und Islamismus differenzieren"
Für AfD-Vize Alexander Gauland stellt das Demoverbot in Dresden den "Beginn der Islamisierung" dar – "weil ein Grundrecht nicht mehr gewährleistet werden kann". Der CDU-Politiker Jens Spahn hielt dagegen. "Wenn überhaupt ist es ein Zeichen für die Bedrohung durch islamistischen Terror", sagte er. Spahn forderte Gauland auf, zu differenzieren: zwischen Islam und Islamismus, zwischen Religion und Terrorismus.
Auch SPD-Politiker Wolfgang Thierse, der ehemalige Bundestagspräsident, machte deutlich, dass er von Pegida wenig hält. Er attestierte der Bewegung Demokratiefeindlichkeit, Ausländerfeindlichkeit und einen unbegründeten Hass auf die Politik. Besonders ärgerte ihn, dass Pegida heute den Leitspruch der DDR-Bürgerrechtsbewegung – "Wir sind das Volk" – für sich beanspruchen würde.
"Das ist eine Anmaßung", schimpfte Thierse. Zwei Gründe nannte er, warum er das so sieht. Erstens: "Damals wurde gegen eine Diktatur demonstriert, heute geht es gegen eine demokratisch gewählte Regierung". Zweitens: "Drei Viertel der Deutschen lehnen Pegida ab." Kathrin Oertel rechnete mit anderen Zahlen – aus ihrer Heimat Sachsen – dagegen: "50 Prozent Nichtwähler sind das Vakuum zwischen Volk und Politik."
Die Pegida-Frau hat AfD gewählt
Trotz einiger Wortgefechte: Dass ein neuer Dialog zwischen enttäuschten Bürgern und Politikern entstehen soll, darüber war sich die Runde am Ende dann aber doch einig. "Wir müssen wieder ins Gespräch kommen", sagte Jens Spahn.
Und auch Alexander Gauland freute sich, dass "die Politik" wieder "mit uns" sprechen will. "Mit uns": Damit meinte er die AfD und Pegida. Kathrin Oertel outete sich im Gegenzug als Anhängerin von Gaulands Partei. "Ich habe über Jahre FDP gewählt, aber bei der letzten Wahl habe ich dann AfD gewählt", erklärt sie.
Wirkliche Streitkultur kam an diesem Abend trotzdem nicht auf. Was sicherlich auch mit der Gästeauswahl zusammenhing: Ein Gast links von Thierse – ein Gysi, ein Özdemir oder ein Vertreter einer Flüchtlingsinitiative – hätte gewiss noch etwas Schwung in die Diskussion gebracht. Ein weniger zaghafter Moderator aber auch.
Die Frage etwa, ob Pegida versuchen würde, das Attentat auf "Charlie Hebdo" für sich zu instrumentalisieren, stellte Günther Jauch gar nicht erst. Auch den ungeklärten Tod des Asylbewerbers Khaled B., der viele Dresdener bewegt, klammerte der Moderator aus. Und die Hasstiraden gegen die "Lügenpresse"? Wurden in ein paar Nebensätzen abgehandelt.
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